Prof. Dr. Edward W. Schlag

(1932 - 2020)

1971 wurde E.W. Schlag auf den Lehrstuhl I für Physikalische Chemie in Nachfolge von H. Gerischer berufen.

E.W. Schlag wurde am 12. Jan. 1932 in Los Angeles geboren. Er ist der Sohn einer amerikanischen Mutter, einer bekannten Konzertpianistin, und eines deutschen Vaters. Seine Jugend verbrachte er in Berlin und Oberbayern, bevor er 1946 als amerikanischer Staatsbürger nach Los Angeles zurückkehren konnte. Nach dem Besuch der High School begann er 1949 sein Chemiestudium am Occidental College in L.A. Zur Promotion wechselte er an die University of Washington, Seattle, zu B.S. Rabinovitch.

Er wandte als erster die von R. Marcus erweiterte RRK-Theorie zur theoretischen Deutung der in seiner Dissertation (1958) erforschten „Unimolekularen Isomerisation von trans-Cyclopronan-d2 an.

Bei W. Groth verbrachte er ein Jahr als postdoc in Bonn. Sein Interesse galt besonders der Photochemie im Vakuum-UV. Daraus resultierte die Zusammenarbeit mit F.J. Comes und die gemeinsame Entwicklung einer neuen Vakuum-UV Lichtquelle. Nach seiner Rückkehr in die USA arbeitete E.W. Schlag in der Forschung bei du Pont de Nemour in Buffalo, wandte sich aber bald wieder der universitären Forschung zu. Er folgte dem Ruf als Assistant Professor an die Northwestern-University in Evanston, Illinois. Dort führte er die theoretischen und experimentellen Arbeiten über unimolekulare Prozesse fort. Er konnte erstmals die direkten Lebensdauermessungen zur Untersuchung strahlungsloser Prozesse von selektierten vibronischen Zuständen in Abhängigkeit von der Energie am Beispiel des ß-Naphthylamins zeigen. Daraus resultierte die erste Zusammenarbeit mit J. Jortner, die viele Jahrzehnte andauern sollte. 1969 wurde er zum Full-Professor erhoben.

1969 entstanden die ersten Arbeiten zur „Threshold Photoelectron Spectroscopy“, die auf dem selektiven Nachweis der Null-Energie-Elektronen basierte, die bei jeder Resonanz der anregenden Lichtquelle mit dem Quantenzustand des Ions freigesetzt werden.

Aus diesem Forschungsbereich resultierte - durch die Möglichkeiten die moderne Lasertechnik voll ausschöpfen zu können und durch den Einsatz verzögerter Felder -1984 die „Zero Kinetic Electron (ZEKE) Spektroskopie. Mit einer bisher nicht erreichten tausendfach verbesserten Auflösung konnten Schwingungs- und Rotationsspektren mit höchster Präzision vermessen werden. In vielen Laboratorien der Welt wurde diese Art der Spektroskopie aufgenommen. Die sich entwickelte „ZEKE Community“ tagte schon mehrmals unter hochrangiger Besetzung in Deutschland und auch im Ausland. Dem 25-jährigen Bestehen der ZEKE Spektroskopie und ihm zu Ehren wurde im Rahmen der Sitzung der American Chemical Society im August 2009 in Washington D.C. mit einem eigenen Symposium gedacht, das von D. Neumark (USA) und Masaaki Fujii (Japan) veranstaltet wurde.

E.W. Schlag setzte schnell auf die Möglichkeiten von Lasern in der Physikalischen Chemie, besonders in der hochauflösenden Molekülspektroskopie, so waren z. B die sub-Doppler Messungen an mehratomigen Molekülen möglich. Seit Anfang seines Wirkens an der TUM, 1971, setzte E.W. Schlag auf neue Methoden und Techniken. Er war federführend in der Einführung moderner Rechner in der Experimentsteuerung, in der Auswertung der Messergebnisse, sowie für deren theoretische Deutung. Das Ansehen, das die Physikalische Chemie der TUM in der Welt jetzt hat, gibt ihm Recht, obwohl die damaligen hohen Kosten bei den Fakultätskollegen nicht immer auf uneingeschränkte Gegenliebe gestoßen sind.

Die Bandbreite des wissenschaftlichen Wirkens von E.W. Schlag ist beeindruckend. Zu nennen seien nur beispielhaft: Einsatz und Entwicklung von Farbstofflasern zur Präzisierung in der Selektion der Anfangszustände bis hin zur Rotationsauflösung. Energieverteilungsprozesse, wie Internal Conversion, Intersystems Crossing und intramolekulare Schwingungsumverteilung in Abhängigkeit vom Charakter der Schwingung oder der Einwirkung magnetischer Felder. Mit Hilfe der Sub-Doppler-Spektroskopie war die Aufklärung noch ungeklärter Phänomene z. B. am Benzolmolekül erfolgreich möglich.

Er erkannte früh die Bedeutung von Mehrphotonenprozessen in Kombination mit kalten Molekülstrahlen für die Spektroskopie großer Moleküle und die physikalische Chemie von van der Waals-Clustern. Ein Meilenstein ist hier sicher schon die Messung eines UV-Spektrums eines Benzol-Argon-Komplexes (1980). 1978 begann er mit der resonanten Zweiphotonen-Ionisation (REMPI), zu deren Gründervätern der ersten Stunde er zusammen mit R. Bernstein zu zählen ist.

Sein Lehrstuhl war immer Hort des wissenschaftlichen Austausches. Besonders bedeutend ist hier die Zusammenarbeit mit dem Heyrovsky Institut der Tschechischen Akademie der Wissenschaften (hierfür erhielt er 1993 die goldene Heyrovsky Ehrenmedaille), den Wissenschaftlern J. Jortner und R. Levine von der Tel Aviv University bzw. der Hebrew University of Jerusalem und anderen Persönlichkeiten und Einrichtungen, deren Anzahl Legende ist. Für seine wissenschaftlichen Leistungen, aber auch für seinen Einsatz des Wissenschaftsaustausches im Rahmen der Minerva-Stiftung mit Israel wurde ihm 1993 die Ehrendoktorwürde der Hebrew-Unversity in Jerusalem verliehen. Besondere Erwähnung sollte auch seine verdienstvolle Arbeit im Sonderprogramm für die USA der Alexander von Humboldt-Stiftung finden, über die er viele bedeutende Persönlichkeiten für Gastprofessuren in Deutschland gewinnen konnte. (2001 Heisenberg-Medaille der A.v.Humboldt-Stiftung) Einige dieser Wissenschaftler waren besonders gerne an seinem Institut, darunter so prominente Namen, wie die späteren Nobelpreisträger R.A. Marcus, F.S. Rowland und A.H. Zewail. Aufgrund der steigenden Anzahl an Gästen und Postdocs machte er es zu seinem Anliegen, sich federführend für die Gründung eines Internationalen Begegnungszentrums (IBZ oder Arnold Sommerfeld Haus) zu engagieren, aus der Notwendigkeit heraus, dass man eben diesen hochrangigen Persönlichkeiten bei ihren Aufenthalten in München an der TUM, und übergreifend auch an der LMU, adäquate Wohnmöglichkeiten zur Verfügung stellen muss. Heute ist das IBZ ein hochfrequentierter Treffpunkt von Senior-Wissenschaftlern und Postdocs, aber auch ein gesellschaftlicher Mittelpunkt in der Community. Mehr als ein Dutzend international hervorragend angenommene Tagungen wurden von ihm organisiert z.B. ZEKE (Wildbad Kreuth, Grainau, Schliersee u.a.m.), 2 Gentner Symposia in Kreuth und in Schellerhau/Sachsen.

E.W. Schlag ist seit 1978 Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der Academia Europea und vielen anderen akademischen Vereinigungen, Mitherausgeber von div. wissenschaftl. Journalen, Mitglied im Bunsenbeirat und Gutachter in mannigfaltiger Funktion.

Eine Vielzahl von ehrenvollen Gastprofessuren im In- und Ausland zeugen von seinem wissenschaftlichen Ansehen, wovon beispielhaft nur die J.W. Linnett-Professur für Chemie an der University of Cambridge (1995) genannt sei.

E.W. Schlag hat mit seiner Begeisterungsfähigkeit für wissenschaftliche Ideen seine Mitarbeiter immer zu höchsten Ansprüchen in Originalität und Qualität angespornt. Seine Hochschul (-Lehrer-) tätigkeit hat er immer auf internationalem Niveau gehalten und damit die heute angestrebte weltweite Orientierung der Forschung und Lehre der TUM um viele Jahre vorweggenommen.

E.W. Schlag hat tatkräftig bei der Initiierung von Schwerpunktprogrammen beitragen, die über das Institut hinaus für ganz Deutschland prägend waren. Selbst gegen Ende seiner aktiven Zeit hat er noch mit nimmermüden Elan die Einrichtung und Durchführung eines SFB mitgestaltet.

Für die bahnbrechenden Entwicklungen von modernen Lasern, Massenspektrometern (RETOF), ultraschnellen Integratoren war neben der wissenschaftlichen (und Ingenieur-) Leistung auch ein gesundes technisches Umfeld gefordert.

So legte er immer Wert darauf, eine eigenständige Mechanik- und Elektronikwerkstatt dem Institut zugehörig zu sehen. Nur so konnte die geforderte technisch-physikalische Präzision gewährleistet werden. Einige Patente und weltweit imitierte Geräte entstanden so.

Selbst nach seiner Emeritierung (2000) ist E.W. Schlag weiterhin wissenschaftlich aktiv. So befassen sich neuere Arbeiten mit dem Ladungstransport über große Entfernungen in Peptiden und Proteinen. Neue detaillierte Molecular Dynamics Rechnungen ergänzen die durchgeführten experimentellen Arbeiten und bestätigen das von ihm präferierte Modell zusammen mit DFT Modellrechnungen. Weiterhin sind ZEKE Experimente ein wesentlicher Bereich der experimentellen Untersuchungen.

Seine breite Erfahrung gibt er, soweit dies überhaupt möglich ist, als ein, von der Hochschulleitung berufener „Emeritus of Excellence“, an den studentischen und wissenschaftlichen Nachwuchs weiter.

E.W. Schlag ist seit seiner Studienzeit mit seiner Gattin Angela, geb. Gräfin zu Castell-Castell verheiratet (dies gegen den Rat seines Doktorvaters Rabinovitch, der den Standpunkt vertrat, Doktoranden sollten unverheiratet sein (siehe: Autobiographical Anecdotes, E.W.Schlag, J.Phys.Chem .A 2001, 105, pp 5514). Mit ihr und drei Kindern führt er neben aller Wissenschaft ein Haus mit einem regen geistigen und gesellschaftlichen Ambiente. Vielleicht ist hier der Quell seines grandiosen Gesamtwerkes zu finden.

(J. Phys. Chem. A, Vol. 105 No. 23, pp 5511-5513 und pp 5514-5515

Ber. Bunsenges. Phys. Chem. 101(1997) No1 pp 145

Homepage Fakultät Chemie TUM.   Homepage E.W. Schlag, Internetrecherche

Persönl. Mitteilungen)

 Mit der Lehrstuhlvertretung, 2000 – 2004, bis zur Berufung von Prof. U. Heiz wurde der Extraordinarius Prof. H.J. Neusser beauftragt.

 

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